„Knöllchenbakterium“ heißt die Mikrobe des Jahres 2015, mit wissenschaftlichem Namen Rhizobium. Diese Mikrobe erleichtert den Anbau von Bohnen, Erbsen, Linsen und Futtermitteln wie Klee. Die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) kürte diesen faszinierenden Mikroorganismus am 9. Februar 2015 zur Mikrobe des Jahres 2015.

Bakterien als natürliche Düngehilfe

Rhizobien („in den Wurzeln lebend“) liefern bestimmten Pflanzen das für ihr Wachstum notwendige Ammonium auf natürlichem Weg und ersetzen damit künstlichen Dünger. An den Wurzeln dieser Pflanzen sind die typischen Knöllchen mit den Bakterien deutlich sichtbar.

Ersatz für Kunstdünger

Seit die Menschen intensiv Ackerbau betreiben, haben sie gelernt, durch Fruchtfolgen die Ertragsfähigkeit von Böden zu erhalten. Hülsenfrüchtler wie Rotklee, Lupine und Ackerbohne sind als Gründüngung die Grundlage für eine hohe Bodenqualität - weil Rhizobien die Stickstoffbindung sicherstellen. Nach Schätzungen binden Bakterien jährlich 170 Millionen Tonnen Stickstoff im Boden und in Pflanzen, davon etwa ein Viertel auf Agrarflächen. Anders als künstlicher Dünger belastet dies nicht die Gewässer mit entstehendem Nitrat (NO3-Verbindungen). Forscher suchen daher intensiv nach einem Weg, die Zusammenarbeit zwischen Rhizobien und Hülsenfrüchtlern auf Getreidesorten zu übertragen. Dazu müssen diese für die Welternährung so wichtigen Pflanzen jedoch die „Sprache“ lernen, um mit stickstoffversorgenden Bakterien kommunizieren und Wurzelknöllchen bilden zu können.

Schützt Pflanzen vor dem Gefressenwerden

Neue Erkenntnisse zeigen, dass Rhizobien auch eine wesentliche Rolle für den Schutz von Pflanzen gegen Fraßfeinde spielen: Bestimmte Abwehrstoffe werden nur in den Wurzelknöllchen der Pflanzen hergestellt, wie Kieler Wissenschaftler kürzlich zeigen konnten.

Impfung für Saatgut

Schon vor über 100 Jahren hatte man erkannt, dass bestimmte Pflanzen, die Hülsenfrüchtler, in Erde reich an Rhizobien gut wachsen. Heutzutage wäre die weltweite Produktion von über 250 Millionen Tonnen Soja im Wert von 50 Milliarden US-Dollar nicht denkbar ohne Knöllchenbakterien: Schon das Saatgut wird mit dem verwandten Bakterium Bradyrhizobium beimpft, um das Wachstum der Soja-Pflanzen sicherzustellen. Die Pflanze sendet chemische Signale aus; daraufhin dringen die Bakterien in die Wurzelhärchen ein, und es entstehen in wenigen Wochen bakteriengefüllte Knöllchen.

Knöllchen bilden Blutfarbstoff

In diesen Knöllchen bilden die Pflanzen einen roten Farbstoff (Leghämoglobin), nah verwandt mit dem menschlichen Blutfarbstoff Hämoglobin. Er sorgt – wie in unserem Blut - dafür, dass Sauerstoff gebunden werden kann. Das ist notwendig, um kontrolliert Sauerstoff zu den Bakterien zu transportieren und eine Sauerstoff­arme Umgebung zu bewahren. Nur dann funktioniert die spezielle Enzym-Maschinerie der Bakterien – und die kann etwas, was die Pflanze nicht kann: Sie wandelt den Stickstoff (N2) aus der Luft um in Ammonium (NH4+). Ammonium benötigen Pflanzen wie alle Lebewesen, um Proteine und Bausteine für ihr Erbgut herzustellen. Alle Hülsenfrüchtler – zu denen neben Soja auch Bohne, Erbse, Kichererbse und Erdnuss noch rund 18.000 Arten zählen – können so dank Rhizobium und verwandter Bakterien auf stickstoffarmen Böden wachsen.

Pflanze und Bakterium: eine win-win-Situation

Vor schätzungsweise 100 Millionen Jahren entwickelte sich diese faszinierende Zusammenarbeit zwischen Pflanzen und Bakterien. Normalerweise versuchen Pflanzen, das Eindringen von Bakterien zu verhindern. Doch hier entstand ein komplexes Kom­mu­ni­ka­tions­system, mit dem sich Pflanzen und Bakterien so verständigen, dass eine Zusammenleben zum beiderseitigen Nutzen gelingt: Die Bakterien können sich geschützt vermehren und mit Nährstoffen über die Pflanze versorgen lassen; die Pflanze kann so auch karge Böden besiedeln. Diese Zusammenarbeit ist von hoher ökologischer und wirtschaftlicher Bedeutung, sichert sie doch die pflanzliche Vielfalt vom Hasenklee bis zu Bäumen wie Akazie, Johannisbrotbaum und Palisander, aber auch unsere Ernährung mit gesundem Gemüse sowie die Futtermittelproduktion.

Mit Rhizobium (und Verwandten) wachsen vor allem Schmetterlingsblütler (Faboideae), insbesondere Hülsenfrüchler (Leguminosen/ Fabaceae):

Nutzpflanzen:
Soja (Glycine sp.)
Erbse (Pisum sp.)
Linse (Lens sp.)
Kichererbse (Cicer sp.)
Bohne (Phaseolus sp.)
Ackerbohne (Vicia faba)
Klee (Trifolium sp.)
Erdnuss (Arachis sp.)
Luzerne (Medicago sp.)

Wild-, Heil- und Zierpflanzen:
Wicke (Vicia sp.)
Wundklee (Anthyllis sp.)
Hornklee (Lotus sp.)
Platterbse (Lathyrus sp.)
Goldregen (Laburnum sp.)
Ginster (Genista sp., Cytisus sp.)
Robinie (Robinia sp.)
Lupine (Lupinus sp.)

sowie manche Johannisbrotgewächse (Caesalpinioideae) und Mimosengewächsen (Mimosoideae)

 

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