Bauen Mikroorganismen Plastik ab?
Bakterien können nahezu alle chemischen Verbindungen abbauen. Plastik stellt jedoch eine besondere Herausforderung für Mikroorganismen und deren Enzyme dar. Denn diese Kunststoffe oder „synthetischen Polymere“ sind stabile Ketten aus sich wiederholenden Molekülen: Polymer bedeutet im Griechischen „vielteilig“.
Polymere, die wir täglich nutzen und die auch in die Natur gelangen, sind Polyurethan (PUR), Polyethylen (PE), Polyamid (PA), Polyethylenterephthalat (PET), Polystyrol (PS), Polyvinylchlorid (PVC), Polymere auf Epoxidbasis (EP), Polypropylen (PP) und zum Teil synthetischer Kautschuk (SR).
Nur wenige Mikroorganismen können unter Laborbedingungen einige dieser erdölbasierten Kunststoffe abbauen. Mikrobieller Abbau ist möglich, wenn z. B. eine Esterbindung das Rückgrat des Polymers darstellt, entsprechend können PET und esterbasiertes PUR abgebaut werden. Für die Spaltung der Esterbindungen in PET sind etwa 65 Enzyme, für PUR elf Enzyme bekannt. Die am besten charakterisierten Enzyme stammen aus Mikroorganismen der Actinobakterien-Gattungen Thermobifida oder Thermomonospora. Ein bekanntes Beispiel ist auch das Gram-negative Betaproteobakterium Ideonella sakaiensis 201-F6, das PET sogar als Hauptenergie- und Kohlenstoffquelle nutzen kann. Weitere Organismen, die auf PET wirken, sind Pseudomonas aestusnigri, Vibrio gazogenes oder Kaistella jeonii. Comamonas acidovorans. PUR wird von einigen Pseudomonaden abgebaut, einige der PET-Abbauer können auch PUR zersetzen.
Vermutlich ist auch synthetischer Kautschuk zumindest teilweise abbaubar, wenn ähnliche Bindungstypen wie im natürlichen Kautschuk vorhanden sind, das ist bei Rhizobacter gummiphilus der Fall. Darüber hinaus können einige Enzyme kurze Stücke (Oligomere) von PA (Nylon) oder einzelne Monomere von Polystyrol (PS) abbauen.
Bisher wurde allerdings der Polymerabbau ausschließlich unter Laborbedingungen mit zum Teil optimierten Enzymen gezeigt. Es ist unklar, ob diese Mikroorganismen und Enzyme beim Abbau von PET, PUR oder Kautschuk in der Natur eine Rolle spielen. Sicher ist aber, dass die Prozesse deutlich langsamer sind und man hier von sehr langen Zeiträumen ausgehen muss. Die Natur kennt diese Polymere erst seit weniger als 80 Jahren – zu kurz, um effektive Enzyme und Abbauprozesse zu evolvieren. Für alle übrigen Plastiksorten sind bisher keine Mikroorganismen und Enzyme bekannt, die die synthetischen Polymere zumindest unter Laborbedingungen abbauen können.
Anders als die klassischen, oben genannten Plastiksorten sind moderne Biopolymere wie z.B Polylactat (PLA), Polyhydroxyalkanoate (PHAs), Polybutylenadipate (PBAT) und Polybutylensuccinat (PBS) prinzipiell biologisch abbaubar. In der Natur oder im Komposthaufen findet ein mikrobieller und enzymatischer Abbau statt, der Prozess ist jedoch sehr langsam und benötigt einige Monate, Schnellkompostverfahren sind daher ungeeignet. Leider ist ihr Anteil an der Gesamtmenge global verwendeter Kunststoffe derzeit noch sehr gering (unter 5%) und sie können viele Materialeigenschaften der klassischen Polymere nicht ersetzen.
Die Forschung im Bereich Kunststoffe sollte sich daher nicht nur darauf fokussieren, Enzyme für den Abbau von synthetischen Polymeren zu finden, sondern auch bessere Biopolymere zu produzieren, die eine breitere Anwendung finden können. Plastikvermeidung ist der beste Weg.
Das Bakterium Commamonas sp. DHH01 auf einer PET-Faser, die es abbauen kann. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme (Quelle: DOI: https://doi.org/10.1128/AEM.01095-19).
Zum Weiterlesen:
https://www.biospektrum.de/magazinartikel/marine-mikroorganismen-fuer-den-plastikabbau?dl=1
https://www.biospektrum.de/magazinartikel/ein-nachhaltiges-produktionssystem-fuer-plastik?dl=1
https://ami-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1751-7915.14135
Die Datenbank PAZy gibt einen guten Überblick über mikrobielle Enzyme und Mikroorganismen, die am Kunststoffabbau beteiligt sind.
© Text und Abbildung, Wolfgang Streit/ VAAM, wolfgang.streit[at]uni-hamburg.de, Nutzung gemäß CC 4.0