Gewinnen Mikroorganismen Energie aus Abfallprodukten ?
Jeder Organismus „frisst“ Ausgangsstoffe, um so Energie zu gewinnen oder zu speichern. Je nach Nahrung und Umgebung entstehen dabei andere, oft noch verwendbare Restprodukte. Mikroorganismen können etwa wertvolle Energieverbindungen herstellen – aber sie auch umsetzen.
In unserem Darm bilden Mikroben beispielsweise Methan – das ist chemisch nichts anderes als Erdgas. Sie verwerten Wasserstoff und Kohlendioxid, Gase, die durch Verdauungsprozesse und durch Zersetzung der Nahrung durch andere Mikroben entstanden sind. Auch Essigsäure-bildende Bakterien verarbeiten diese beiden Gase - in diesem Fall zu Essigsäure. Umgekehrt können sie Wasserstoff herstellen: Wenn sie ohne Sauerstoff auf Zucker und Eiweißstoffen wachsen, bauen sie diese ab zu Wasserstoff und Essigsäure. Dieser Prozess heißt Gärung.
Moleküle wie Zucker und Eiweiße sind als Nahrungsbestandteile auch in unserem Darm zu finden. Mikroben unterstützen uns bei deren Zersetzung im Darm. So kommt es vor, dass Essigsäurebildner aus Zucker Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid und Essigsäure herstellen und Methanbildner diesen „Abfall“ benutzen, um Kohlenstoffdioxid und auch Essigsäure in Methan umzuwandeln. Somit helfen sie, unsere Nahrung komplett zu verdauen. In unserem Darm gibt es auch Bakterien, die aus Wasserstoff Schwefelwasserstoff herstellen, der wie faule Eier riecht. Diese mikrobiellen Gase entfleuchen uns in Form von „Pupsen“.
Und nicht nur im Darm, auch tief im Schlamm von Seen oder Ozeanen sind diese Mikroorganismen zu finden. Methan- und Essigsäurebildner leben gerne zusammen: Die Essigsäurebildner futtern Zucker, und die Methanbildner verwerten den gebildeten Wasserstoff. Sie leben zusammen in einer Symbiose, denn Bakterien können nur Zucker verdauen, wenn Methanbildner den entstehenden Wasserstoff fressen. Zu viel Wasserstoffgas in den Bakterienzellen stört die notwendigen Gärungsprozesse; die Bakterien würden nicht überleben.
Was ist aber mit Bakterien, die keine Methanbildner oder andere Mikroben in der Nähe haben, die den Wasserstoff aufnehmen? Wie war es zu einer Zeit, als es auf unserer Erde noch keine Organismen gab, die den Wasserstoff wegfutterten? Die Antwort ist recht neu: Das Essigsäurebakterium Acetobacterium woodii kann den gebildeten Wasserstoff selbst wieder benutzen. Es verwendet den gleichen Stoffwechselweg wie die Methanbildner, bildet allerdings anstelle von Methan Essigsäure. So kann dieses Bakterium ganz alleine wachsen, indem es Zucker oder Eiweiße frisst und den gebildeten Wasserstoff recycelt, um diesen zusammen mit dem vorhandenem Kohlenstoffdioxid zu Essigsäure umzuwandeln. Diese neu entdeckte Form des Wasserstoff-Recycelns gibt Forschern Aufschlüsse darüber, wie vor Milliarden von Jahren die ersten Mikroben gelebt haben könnten, als es noch nicht viele verschiedene, sich ergänzende Arten gab.
Zum Weiterlesen:
Neuer Stoffwechsel-Typ in Bakterien entdeckt, Pressemitteilung der Universität Frankfurt/M.
© Text: Anja Wiechmann / VAAM, A.Wiechmann[at]em.uni-frankfurt.de,
© Abbildung Sarah Ciurus, Nutzung gemäß CC 4.0