Haben Bakterien Sex?

Dass Bakterien Sex haben können, ist seit etwa 70 Jahren bekannt – wenn wir dafür den Begriff »Sex« weit genug fassen. Viele Bakterien enthalten neben ihrem herkömmlichen ringförmigen Chromosom noch weitere kleine DNA-Ringe, die Plasmide. Darauf befinden sich häufig Anlagen für Fähigkeiten, die unter besonderen Umweltbedingungen Vorteile bieten – zum Beispiel für Antibiotika-Resistenzen. Um diese Eigenschaften weitergeben zu können, haben Bakterien eine besondere Technik entwickelt: Bei Kontakt mit einer anderen Bakterienzelle können sie das Plasmid verdoppeln, einen schlauchartigen Fortsatz – die »Sex-Pili« – bilden und darüber die Plasmid-DNA übertragen. Dieser Vorgang heißt ganz unromantisch »Konjugation«.
So können Bakterien Daten austauschen. Jeder Anpassungsvorteil, der gerade sinnvoll erscheint, kann sich überallhin ausbreiten. Damit sind die Bakterien aus genetischer Sicht ein kommunizierender Riesenorganismus – winzig klein, sehr schnell und damit unbesiegbar. 2001 erwischten amerikanische Forscher Bakterienzellen sogar mit Hamsterzellen in flagranti: Die Bakterien hatten Teile ihres Erbguts auf die Tierzellen übertragen, indem sie Eigenschaften über diesen »horizontalen Gentransfer« austauschten.

© Susanne Thiele, Textauszug verändert nach „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke. Wie Mikroben unseren Alltag bestimmen – Neues und Erstaunliches über unsere vielseitigen Mitbewohner“, Heyne 2019
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Abbildung: Isabel Klett