Können Bakterien sehen?
Seit der Entdeckung des Mikroskops ist bekannt, dass manche Bakterien auf optische Reize reagieren. Aber wie machen sie das ohne Augen?
Einige Bakterien können mit Hilfe von lichtabsorbierenden Proteinen die Intensität und Farbe des umgebenden Lichts wahrnehmen. Diese Proteine ähneln den Photorezeptoren in der menschlichen Netzhaut. Purpurbakterien beispielsweise können zwischen der grellen Mittagssonne oder einem schattigen Ort unterscheiden. Sie verfügen damit aber nicht automatisch über ein räumliches Sehvermögen. Über die Länge einer einzelnen Bakterienzelle sind Unterschiede in der Lichtintensität schlichtweg zu gering, um zu ermitteln, aus welcher Richtung das Licht einfällt.
Zumindest unter den Cyanobakterien, deren Stoffwechsel auf der photosynthetischen Umwandlung von Sonnenenergie in Zucker beruht, gibt es jedoch Arten, die auch die Lichtrichtung „sehen“ können. So bewegt sich zum Beispiel die Spezies Synechocystis sp. PCC 6803 mittels fadenförmiger Zellfortsätze (Pili) gezielt auf eine Lichtquelle zu. Hierfür nutzen die Bakterien einen physikalischen Trick: Die mit Proteinen und Membranen dicht gepackten, runden Zellen haben einen höheren Lichtbrechungsindex als das sie umgebende wässrige Medium. Daher bündelt die runde Zelle, ähnlich wie ein Augapfel oder eine Kameralinse, das einfallende Licht auf einen kleinen Bereich der lichtabgewandten Zellmembran. Im Brennpunkt des fokussierten Lichts werden Photorezeptoren oder auch Pigmente des Photosyntheseapparats stark angeregt. So entsteht ein lokal begrenztes Signal, das die gerichtete Bewegung steuert. Diese Form des Sehens ermöglicht zwar nicht das Erkennen von scharfen Bildern, ist aber völlig ausreichend für eine räumliche Orientierung.
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© Text und Abbildung Nils Schürgers, nils.schuergers[at]biologie.uni-freiburg.de Nutzung gemäß CC 4.0