Sind alle Mikroben rund oder länglich?

Keineswegs - sie können auch keulenförmig, Y- und V-förmig sein oder auf einem Stiel stehen. Selbst rechteckige Formen existieren.

Runde Mikroben heißen Kokken. Der Zellinnendruck presst wie bei einem Luftballon die Zellwände in eine abgerundete Form. Kokken (griech.: kokkos, Kern) können Paare bilden (Diplokokken) oder Ketten (griech. streptós, daher Streptokokken). Ein ungeordneter Haufen heißt nach dem griechischen Wort für Traube (staphylé) Staphylokokke.

Die Bezeichnung Bacillus (lat. Stäbchen) stammt von der länglichen Form. Die Länge einiger Stäbchen kann variieren; daher hat man sie nach dem wandlungsfähigen griechischen Meeresgott Proteus benannt. Auch stäbchenförmige Mikroben bilden manchmal lange Ketten.

Gekrümmte Stäbchen heißen Vibrionen. Spirillen sind wie eine Spirale gewunden. Corynebakterien weisen an einem oder beiden Enden eine Verdickung auf wie eine Keule (griech. koryne) oder Hantel. Die für die Käseherstellung wichtigen und in unserem Darm lebenden Bifidobakterien sind oft am Ende gegabelt (latein. bifidus, gespalten). Verzweigte Zellketten finden sich bei Dichotomicrobium thermohalofilum. Bakterien der Gattung Stella haben eine sternförmige Gestalt.

Die grünen Cyanobakterien bilden oft Ketten mit unterschiedlichen Zelltypen für verschiedene Aufgaben: Manche Zellen dienen als Verbreitungs- und Dauerstadien, andere betreiben vornehmliche Photosynthese oder fixieren molekularen Stickstoff (N2). Schlechte Zeiten überstehen manche Cyanobakterien, indem sich einzelne Zellen am Ende oder in der Mitte der Fäden in dickwandige, als Akineten bezeichnete Dauerzellen umwandeln. Cyanobakterien zeigen also Anzeichen von Vielzelligkeit.

Einige Mikroben tragen Auswüchse, etwa einen Stiel, mit dem sie sich am Substrat festheften. Am besten untersucht ist dies beim Bakterium Caulobacter crescentus: Zellen, die mit einem Stiel an der Oberfläche festsitzen, teilen sich asymmetrisch. Eine Tochterzelle verbleibt festgeheftet, die andere trägt eine Geißel (Flagellum), schwimmt weg und setzt sich anderswo mit einem neuen Stiel fest.

Es gibt sogar rechteckige Mikroben. Walsby`s quadratisches Archaeon (Haloquadratum walsbyi) lebt in sehr salzreichen Gewässern. Eine mögliche Erklärung für seine ungewöhnliche Gestalt ist das völlige oder weitgehende Fehlen eines Zellinnendrucks (Turgors), weil der Salzgehalt im Inneren der Zelle an das Umgebungsmedium angepasst ist.

In vielen Fällen bleibt aber spekulativ, weshalb Mikroben bestimmte Formen besitzen. Bakterienketten könnten die Anheftung an das Substrat oder das Gleiten erleichtern. Filamente behindern möglicherweise Fressfeinde. Auch besonders große, sperrige oder sehr kleine Zellen könnten sich so vor Fressfeinden schützen. Gekrümmte und gewundene Zellen wiederum können sich möglicherweise besonders gut in zähen Medien fortbewegen.

Zum Weiterlesen:

Diversity Takes Shape: Understanding the Mechanistic and Adaptive Basis of Bacterial Morphology, David T. Kysela, Amelia M. Randich, Paul D. Caccamo, Yves V. Brun, PLOS Biology, DOI:10.1371/journal.pbio.1002565, 2016

© Text und Abbildung: Johannes Sander / VAAM, jtmsander[at]gmx.de, Nutzung gemäß CC 4.0