Wann ist ein Bakterium tot?

Atmung, Herzschlag und Hirnaktivität sind umstrittene Kriterien, um einen Menschen für tot zu erklären. Ähnlich kompliziert ist die Beurteilung, ob ein Bakterium tot oder lebendig ist. Dabei ist dieses Wissen wichtig, etwa im Umgang mit Lebensmitteln.
Auch bei der Beurteilung von Boden- und Wasserqualität und der Reinheits- und Qualitätskontrolle industrieller Produkte spielt die Bestimmung der Keimzahl, also der Anzahl der Mikroorganismen in einer Probe, eine wichtige Rolle. Aber wie kann man tote Bakterien von lebenden unterscheiden?
Die älteste Methode beruht darauf, dass sich lebende Bakterien teilen und vermehren. Wenn Bakterien sich auf nährstoffhaltigen Böden vermehren, ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie leben. Problematisch wird es jedoch, wenn sie sich nicht vermehren können. Manche Bakterien fallen in eine Art „Tiefschlaf“, wenn sie ungünstigen Lebensbedingungen wie z. B. Nährstoffmangel oder Trockenheit ausgesetzt sind. In diesem Zustand wird die Bakterienzelle als Spore bezeichnet und kann bis zu mehreren Millionen Jahre überleben, ohne sich zu teilen. Erst wenn die Zelle bestimmte Signale von außen wahrnimmt, „erwacht“ sie. Daher wäre es fehlerhaft, Bakterien, die sich nicht vermehren, als tot zu bezeichnen.
Eine andere Methode, um lebende und tote Bakterien auseinander zu halten, hängt mit der Zellmembran zusammen. Sie dient als Barriere und trennt die Zellinhaltsstoffe von der Außenwelt ab. Bakterien mit Löchern in der Membran sterben, da sie ihre Inhaltsstoffe verlieren. Im Labor kann man beschädigte und unversehrte Zellen mithilfe von Fluoreszenzfarbstoffen (beispielsweise rotes Propidiumiodid und grün fluoreszierende SYTO 9) und dem Mikroskop auseinanderhalten. Intakte und lebende Zellen fluoreszieren grün; beschädigte und somit tote Zellen rot.
Mit anderen Fluoreszenzfarbstoffen kann die Stoffwechselaktivität überprüft werden. Bei dieser Methode wird getestet, ob bestimmte Enzyme in den Bakterien funktionieren. Da die Enzyme für die Verdauung von Nährstoffen und den Aufbau zelleigener Stoffe benötigt werden, ist ihre Aktivität lebenswichtig für die Bakterien. Ebenso verhält es sich mit der DNA-Menge in den Bakterien: Da die DNA die gesamte Erbinformation der Zelle enthält, ist es tödlich für die Zelle, wenn die DNA beschädigt oder abgebaut wird. Deshalb kann auch die Bestimmung der DNA-Menge in den Bakterien Aufschluss über die Lebensfähigkeit der Zellen geben.
Mit diesen Methoden können die Ausmaße der Schäden in der Bakterienzelle bestimmt werden. Allerdings gibt es noch keine klare Festlegung, ab wann die Zelle nicht mehr dazu in der Lage ist, wieder gesund zu werden und sie somit für tot erklärt werden kann.

Zum Weiterlesen:

Davey, H.M., 2011. Life, death, and in-between: Meanings and methods in microbiology. Applied Environmental Microbiology 77, 5571–5576.
https://aem.asm.org/content/77/16/5571

Bogosian, G., Bourneuf, E. V, 2001. A matter of bacterial life and death. EMBO Reports 2, 770–774.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1084037/

© Text und Abbildung: Sonja Höhmann / VAAM, sonja.hoehmann[at]ufz.de, Nutzung gemäß CC 4.0