Warum bilden Pilze Antibiotika?
Wir kennen das: Es gibt nur noch einen Keks auf dem Teller, und jeder möchte ihn haben. Auch Mikroorganismen konkurrieren um Nährstoffe. Daher haben viele Organismen Substanzen entwickelt, die ihnen in diesem Wettbewerb Vorteile verschaffen: Antibiotika. Sie dienen gleichzeitig dem Angriff und der Verteidigung. Sie helfen, die Konkurrenz auszuschalten und andere Mikroorganismen abzuwehren.
Antibiotika wirken an verschiedenen Zielen: Sie durchlöchern etwa die Zellmembran anderer Mikroben oder greifen in deren Proteinbiosynthese oder die DNA-Vermehrung (Replikation) ein. Um sich gegen diese Angriffe zu schützen, entwickeln Mikroorganismen Resistenzen. Das sind zufällige genetische Veränderungen (Mutationen), die ihnen einen Vorteil gegenüber ihren Artgenossen bringen. Helfen können schon resistente Nachbarn, die ihre spezielle Eigenschaft zum Überleben teilen. Resistenzen gibt es in verschiedenen Formen: Manche Pilze verdauen fremde Antibiotika, andere pumpen sie einfach aktiv wieder aus sich heraus und wieder andere verändern das Ziel des Antibiotikums, damit es nicht mehr angegriffen werden kann. Die Pilze tauschen quasi das Schloss aus; der eigentlich passende Schlüssel (das Antibiotikum) wird damit nutzlos. Da immer wieder solche Resistenzen entstehen, müssen wir immer neue Antibiotika für die medizinische Anwendung entwickeln, um Infektionen zu bekämpfen.
Pilze verwenden Antibiotika auch, um miteinander zu kommunizieren. In kleinen Mengen, die anderen Organismen nicht schaden, können sie spezifisch deren Stoffwechsel beeinflussen. Zum Beispiel aktivieren sie Gene, die das Überleben des Organismus sichern, indem sie sich beispielsweise an die jeweilige Ernährungsituation anpassen. Dies erklärt die große strukturelle Vielfalt unter den Antibiotika und deren weit verbreitetes Vorkommen unter den Mikroben.
Von Pilzen produzierte Antibiotika entdeckte Alexander Fleming in den 1920er Jahren zufällig. In einer Bakterienkultur um einen ungewollt eingeschleppten Pilz herum wuchs nichts mehr. Fleming kam zu dem Schluss, dass der als Penicillium notatum bestimmte Schimmelpilz etwas produzieren muss, was Mikroorganismen in seiner Umgebung am Wachstum hindert. Von diesem Pilz leitet sich der Name des gut bekannten Antibiotikums ab: Penicillin. Seine Grundstruktur (der beta-Lactam-Ring) bildet heute die Grundlage für die Entwicklung vieler synthetischer Antibiotika.
Zum Weiterlesen:
Davies J (2006) Are antibiotics naturally antibiotics? J Ind Microbiol Biotechnol 33:496–499.
© Text und Abbildung Claudia Feurstein / VAAM, c.feurstein{at]tu-berlin.de, Nutzung gemäß CC 4.0