Mikroben-Freundschaft - gibt es das?
Mikroben wachsen gerne in Gemeinschaften mit ähnlichen Lebensbedingungen. Allerdings sind Bakterien eigennützig und leben nur mit anderen zusammen, wenn diese etwas produzieren, was sie selbst verwerten können und sie die dortigen Lebensbedingungen auch alleine mögen würden, wie z. B. im Darm, Wüsten-Salzseen oder Meeresbuchten.
In unserem Darm beispielsweise leben ca. 400 verschiedene Arten von Bakterien zusammen, die sich an die dort herrschenden Lebensbedingungen angepasst haben. Im Dünndarm findet man meist fakultativ anaerobe Bakterien, die auch in Abwesenheit von Sauerstoff leben können und im Dickdarm hauptsächlich anaerobe Bakterien, die nur ohne Sauerstoff leben können, da zu diesem wenig bis gar kein Sauerstoff vordringt. Sie sind für die Verdauung unserer Nahrung zuständig, indem sie gemeinsam Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette spalten und produzieren z.B. Vitamine wie Vitamin B12 und B2.
In Wüsten-Salzseen leben farblose Bakterien zusammen mit grünen Schwefelbakterien (Chlorobium chlorochromatii), die diese umschließen, in einer Gemeinschaft. Die grünen Schwefelbakterien nutzen im Sonnenlicht CO2 als Kohlenstoffquelle zum Wachstum. Dieses CO2 stammt von den farblosen Bakterien (z.B. Desulfovibrio, Desulfuromonas), die Schwefelwasserstoff zu Schwefel oder Sulfat und CO2 umwandeln. Diese Schwefelverbindungen benötigen wiederum die grünen Bakterien als Elektronendonor. So entsteht ein für beide hilfreicher Schwefelkreislauf.
Auch im Abfluss leben Mikroben gemeinsam. Solche Biofilme oder mikrobielle Matten aus einer Vielzahl von Bakterien entstehen auch in heißen Quellen oder Meeresbuchten. Dort siedeln sich verschiedene Arten von Bakterien in mehreren Schichten an. Cyanobakterien beispielsweise sind photosynthetisch aktive Mikroorganismen, das heißt sie bilden Zucker und Sauerstoff mit Hilfe von Licht und Kohlendioxid und leben meist an der Oberfläche der Matten. Zucker und Sauerstoff benötigen wiederum andere Bakterien als Hauptnahrungsquelle und zum Atmen.
In unserem Labor bilden Synechocystis („Synthia“) und Pseudomonas („Mona“) eine solche Lebensgemeinschaft (s. Abbildung). Synthia ist ein Cyanobakterium und produziert Sauerstoff und Zucker (in der Abbildung dargestellt als Keks), die Mona zum Überleben benötigt. Ohne Mona würde Synthia keinen stabilen Biofilm bilden können und so viel Sauerstoff bilden, dass er für sie selbst giftig wäre. Mona verbraucht diesen jedoch und so leben sie zusammen in einem Biofilm, der durch Synthia grün gefärbt ist: eine echte Mikrobenfreundschaft.
Zum Weiterlesen:
https://www.biospektrum.de/blatt/d_bs_pdf&_id=1645362
https://www.spektrum.de/news/fruehe-schichtarbeit/576297
https://www.mpi-bremen.de/Riffe-aus-Bakterien-entdeckt.html
© Text und Abbildung Ingeborg Heuschkel /VAAM, ingeborg.heuschkel[at]ufz.de, Nutzung gemäß CC 4.0